Der Winter, der ein Sommer war – Geschichte lebendig lernen | Arbeitskreis Festung Ziegenhain e.V.

Der Winter, der ein Sommer war

Geschichte lebendig lernen – ein Projekt des Arbeitskreises Festung Ziegenhain e.V.

Projektidee: Geschichte lebendig lernen

Mit Uniformen des Fernsehfilms, historischen Hintergründen und jungen Darstellern die Geschichte der Wasserfestung Ziegenhain neu entdecken – als Beitrag zur Erinnerungskultur.

Ausgangspunkt für das Projekt „Der Winter, der ein Sommer war – Geschichte lebendig lernen“ ist der glückliche Umstand, dass es dem Arbeitskreis gelungen ist, die Uniformen des gleichnamigen Fernsehfilms in einem Theaterkostümverleih ausfindig zu machen und erste Kostüme zu erwerben.

Für die Aufstellung der hessischen Truppen im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg war die Festung Ziegenhain von großer Bedeutung. Damit war sie in eines der wichtigsten weltgeschichtlichen Ereignisse der Neuzeit eingebunden. Diese Tatsache ist heute nur noch wenigen historisch Interessierten bewusst.

Mit Hilfe der Filmkostüme möchte der Arbeitskreis den hohen geschichtlichen Stellenwert der Festung Ziegenhain wieder stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken – als lebendigen Beitrag zur Pflege der historischen Erinnerungskultur.

Zur Geschichte der Festung Ziegenhain

Die Wasserfestung Ziegenhain galt einst als sicherste Befestigungsanlage der Landgrafen von Hessen. Ihr Ausbau, der ab 1537 in „niederländischer Manier“ erfolgte, steht im unmittelbaren Zusammenhang mit der von Landgraf Philipp dem Großmütigen 1526 in Hessen eingeführten Reformation.

Im Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) konnte die Festung von den Kaiserlichen nicht eingenommen werden. Wesentlicher Grund hierfür war ein spezielles Schleusensystem, mit dem die Schwalm so aufgestaut werden konnte, dass die Festung nahezu vollständig von Wasser umgeben war.

Im Siebenjährigen Krieg (1757–1763), in dem Hessen-Kassel an der Seite Preußens stand, war die Festung bereits veraltet. Den französischen Truppen gelang die kampflose Einnahme. Ein Rückeroberungsversuch der hessischen Truppen im März 1761 scheiterte; bei der Kanonade von Ziegenhain wurden 47 Häuser zerstört.

Von Bedeutung wurde die Festung nochmals im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1775–1783), als Rekrutendepot für Subsidientruppen, die Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel an König Georg III. von Großbritannien vermietete.

Während der napoleonischen Kriege wurde Ziegenhain 1806 kampflos übergeben. Entgegen dem Befehl Napoleons zur Schleifung sprengten die Franzosen nur einige Kasematten. Nach dem Ende des „Königreichs Westphalen“ blieb die Festung bis 1832 Garnison, die Befestigungen wurden jedoch nicht mehr modernisiert. Ab 1837 wurden Festungswälle abgetragen, Gräben zugeschüttet und die meisten Festungsgebäude abgebrochen.

Das landgräfliche Schloss diente als Zuchthaus, im „Neuen Fruchthaus“ (Kornhaus) wurde 1883 ein Frauengefängnis eingerichtet. 1946 ging die Gefangenenanstalt an die hessische Justizverwaltung über. Die heutige JVA Schwalmstadt ist eine geschlossene Hauptanstalt mit höchster Sicherheitsstufe.

Der Arbeitskreis Festung Ziegenhain e.V.

Der Arbeitskreis Festung Ziegenhain e.V. wurde 1992 auf gemeinnütziger Basis gegründet. Eine wesentliche Aufgabe ist die Erforschung des historischen Hintergrundes der Festung.

Die Mitglieder entwickeln Ideen und Anregungen für den Erhalt des Festungsbereiches mit seinen Kultur- und Baudenkmälern sowie den historischen Straßen, Gassen und Plätzen. Angestrebt wird die Revitalisierung leerstehender und gefährdeter Gebäude und Anlagen, um einen sensiblen und angemessenen Umgang mit dem historischen Erbe zu fördern.

Eine weitere Aufgabe ist die Förderung des Fremdenverkehrs und die Ergänzung des musealen Angebots. Mit dem hier vorgestellten Kostüm-Projekt soll erreicht werden, dass sich die Öffentlichkeit intensiver mit einer Verkehrsberuhigung in Ziegenhain auseinandersetzt. Eine Reduzierung des Durchgangsverkehrs ist aus Sicht des Vereins Voraussetzung für einen höheren Wohnwert und eine gesteigerte touristische Attraktivität der Festung.

Zu den Vereinssitzungen treffen sich die Mitglieder alle acht Wochen am ersten Montag des Monats um 19:30 Uhr im Restaurant „Rosengarten“ in Ziegenhain.

Der Film: „Der Winter, der ein Sommer war“

Ein besonderer Baustein der Festungsgeschichte ist die Rolle Hessens während des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges. In diesem Zusammenhang stehen die Dreharbeiten des Hessischen Rundfunks zum dreiteiligen Fernsehfilm „Der Winter, der ein Sommer war“ nach dem Roman von Sandra Paretti, die 1976 auch in Ziegenhain stattfanden.

Viele Einwohner nutzten damals die Gelegenheit, die Dreharbeiten in der Festung zu verfolgen. Die Komparsen für die hessischen Soldaten stellte eine in Treysa stationierte Bundeswehreinheit (5. Raketenartillerie-Bataillon 22). Zur Erstausstrahlung zur Weihnachtszeit wurde der Dreiteiler zu einem echten Straßenfeger und ist bis heute für viele historisch Interessierte ein Kultfilm.

Unter der Regie von Fritz Umgelter wirkten unter anderem Günter Strack (als Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel), Siegmar Solbach und Christian Quadflieg in den Hauptrollen mit. Die Handlung erzählt vom Schicksal der Halbbrüder Robert und Christian von Haynau vor dem Hintergrund des Einsatzes hessischer Soldaten in Amerika.

Friedrich II. hatte 1776 dem englischen König für ein Kopfgeld von je 30 Talern mehr als 12.000 zum Teil zwangsrekrutierte Soldaten für den Kampf in den 13 Kolonien vermietet. Der Konflikt endete mit dem Sieg der Amerikaner und der Gründung der Vereinigten Staaten.

Anlässlich der 200-Jahr-Feier der Unabhängigkeitserklärung (4. Juli 1776) produzierte der HR die Filmreihe auch als Beitrag zur amerikanischen Jubiläumsfeier. Sie gilt als eine der aufwendigsten frühen historischen Mini-Serien des deutschen Fernsehens.

Projektziele und konkrete Vorhaben

Mit dem Projekt „Der Winter, der ein Sommer war – Geschichte lebendig lernen“ möchte der Arbeitskreis:

  • den historischen Stellenwert der Festung Ziegenhain im Zusammenhang mit dem Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg verdeutlichen,
  • Erinnerungskultur vor Ort stärken,
  • Jugendliche für regionale und landesgeschichtliche Themen gewinnen,
  • die touristische Attraktivität der Festung durch lebendige Darstellungen erhöhen.

Geplant sind in den nächsten Jahren insbesondere:

  • I. Aufbau einer „Exerziergruppe“ von mindestens 6 bis perspektivisch etwa 40 Darstellern.
  • II. Teilnahme der Gruppe an Veranstaltungen mit historischem Hintergrund in Schwalmstadt und bei landesgeschichtlichen Anlässen in und außerhalb Hessens.
  • III. Kontaktaufnahme mit regionalen Schulen zur Gewinnung von Jugendlichen und zur Einbindung der Themen „Subsidienpolitik“ und „Amerikanischer Unabhängigkeitskrieg“ in den Geschichtsunterricht.
  • IV. Aufbau einer Ausstellung zum Thema „Die Hessen in Amerika“ mit Uniformen, Erläuterungen zum historischen Hintergrund und zu den Dreharbeiten des Films in Schwalmstadt-Ziegenhain.

Aufbau der Darstellergruppe

Voraussetzung für die Darstellergruppe ist die Gewinnung von Jugendlichen im Alter von etwa 16 bis 20 Jahren. Der Arbeitskreis bittet deshalb insbesondere die regionalen Schulen – Carl-Bantzer-Schule Ziegenhain, Schwalmgymnasium Treysa, Melanchthonschule Steinatal, Albert-Schweitzer-Schule Alsfeld – um Unterstützung.

Mit den Kostümauftritten sollen die Jugendlichen einem breiten Publikum einen Eindruck von Uniformierung und Garnisonsalltag in der Festung Ziegenhain vor rund 240 Jahren vermitteln. Zugleich sollen sie motiviert werden, sich intensiver mit regional- und landesgeschichtlichen Themen zu beschäftigen.

Die öffentlichen Auftritte dienen nicht der Darstellung von Gefechtsszenen, sondern sind als Beitrag zur touristischen Attraktivität der Festung und als Türöffner für historisches Lernen gedacht.

Geplant sind regelmäßige Treffen der Darstellergruppe, etwa vier- bis achtmal im Jahr, bevorzugt an Wochenenden. Dabei werden Marschübungen im Gruppenrahmen eingeübt und kurze Einführungen zu historischen Hintergründen gegeben – mit Blick auf Militär als Element absolutistischer Politik und die Aufklärung als Gegenbewegung.

Methodisch-didaktische Konzeption

Die Thematik der Subsidienpolitik im Absolutismus wird in der Forschung unterschiedlich bewertet. Diese Kontroverse bietet Chancen für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Soldatenhandel der hessischen Landgrafen.

Im Projekt steht deshalb nicht der rein militärische Aspekt im Vordergrund. Vielmehr soll eine multiperspektivische Beschäftigung mit der Geschichte der Festung Ziegenhain angeregt werden:

  • Ausgangspunkt ist die regionale Geschichte – insbesondere der Festungsbereich Ziegenhain.
  • Verknüpfung mit übergeordneten Themen wie Reformation, Absolutismus und Aufklärung.
  • Perspektive auf die Einführung der Konfirmation durch die „Ziegenhainer Kirchenzuchtordnung“ von 1537.
  • Motivation für Jugendliche, sich auf ein späteres gesellschafts- oder kulturwissenschaftliches Studium vorzubereiten.

Neben dem historischen Lernen spielt der Gemeinschaftsaspekt eine Rolle: Durch die gemeinsamen Exerzierübungen sollen Teamfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein und ein Gefühl für die historische Rolle der Festung entwickelt werden – bei aller nötigen Ernsthaftigkeit immer auch mit einem gewissen Spaßfaktor.

Ausblick

Gelingt die Realisierung des Projekts in der beschriebenen Form, sind für die Zukunft folgende Erweiterungen denkbar:

  • Entwurf eines Exkursionsprogramms mit dem Leitthema „Schwalmstadt als historischer Lernort“ in Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte Stalag IX A Ziegenhain.
  • Ausbau des Projekts als Angebot für schulische Exkursionen in Kooperation mit der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung und dem Hessischen Kultusministerium.
  • Anregung an örtliche Schulen, Aspekte der Festungsgeschichte im Unterricht oder in Projekten zu behandeln (z. B. Reformation, Festungsarchitektur, sozioökonomische Strukturen, „Königreich Westphalen“).
  • Vergabe von Themen mit Bezug zur Festungsgeschichte als „besondere Lernleistung“ im Rahmen des Abiturs.

Kontakt & Sponsoren

Kontakt für Schulen und Jugendliche

Schulen und interessierte Jugendliche im Alter zwischen 16 und 20 Jahren können sich schriftlich anmelden bei:

Aribert Ley
Schweidnitzer Straße 5
34613 Schwalmstadt

Bitte nach Möglichkeit eine E-Mail-Adresse angeben. Über den organisatorischen Rahmen werden die angemeldeten Teilnehmenden per Mail informiert. Für die Teilnahme werden keine Kostenbeiträge erhoben. Die Finanzierung erfolgt durch öffentliche und private Spenden sowie durch Vereinsmittel.

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